Grundsätzlich müssen alle öffentlich zugänglichen Bauten und Anlagen, Gebäude mit mehr als 50 Arbeitsplätzen und Wohnbauten mit mindestens vier Wohneinheiten, welche neu erstellt oder erneuert werden, für Menschen mit Behinderungen zugänglich und benutzbar gestaltet werden (vgl. Kommentar zu § 37 BauV).
Neben Neubauten müssen grundsätzlich auch bestehende Bauten und Anlagen, welche erneuert werden, die in der Norm SIA 500 genannten Mindestanforderungen einhalten (vgl. § 37 BauV i.V.m. § 53 BauG).
Als Erneuerung gilt die Änderung von Bauten und Anlagen, soweit sie einem ordentlichen oder einfachen kantonalen Bewilligungsverfahren unterstellt ist (vgl. Art. 2 lit. a BehiV). Dies können Umbauten oder Sanierungen sein. Aber auch die Umnutzung wird als Erneuerung qualifiziert. Wenn beispielsweise ein Bürogebäude in eine Schule umgenutzt wird, gilt dies als Erneuerung und es besteht grundsätzlich die Pflicht, Massnahmen zu treffen, damit der Zugang und die Nutzung der Bauten und Anlagen hindernisfrei ist. Die Voraussetzungen in § 38 BauV sind auch bei Nutzungsänderungen zu prüfen, welche nur minimale bauliche Investitionskosten auslösen (vgl. Entscheid RRB Nr. 2014-01282 des Regierungsrats vom 26.11.2014, E. 9.3.3).
Nun gibt es Fälle, in welchen die baulichen Massnahmen für einen hindernisfreien Zugang und eine hindernisfreie Nutzung bei der Erneuerung einer bestehenden Baute hohe Kosten verursachen würden, welche von der Bauherrschaft kaum getragen werden könnten (z.B. Verbreiterung zu schmaler Gänge etc.). Aus diesem Grund erliessen sowohl der Bund wie auch der Kanton Aargau in Anwendung des in der Bundesverfassung verankerten Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV) Erleichterungsbestimmungen für hindernisfreie Massnahmen im Falle der Erneuerung von bestehenden Bauten. Ziel war dabei, dass die betroffenen Bauherrschaften bei der Erneuerung von Bauten nur Investitionen tätigen müssen, welche sie wirtschaftlich tragen können (vgl. Entscheid RRB Nr. 2014-01282 des Regierungsrats vom 26.11.2014, E. 9.3.3).
§ 38 BauV (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 BehiG) bestimmt, dass bei der Erneuerung von Bauten und Anlagen keine hindernisfreien Massnahmen verlangt werden können, wenn der damit verbundene finanzielle Aufwand die Tragbarkeit übersteigt.
Als nicht mehr tragbar bezeichnet § 38 BauV Massnahmen, sofern a) der Aufwand dafür mehr als 5 % des Gebäudeversicherungswerts bzw. des Neuwerts der Anlage vor der Erneuerung oder b) der Aufwand mehr als 20 % der Erneuerungskosten beträgt. Es dürfen demnach nur Massnahmen für hindernisfreies Bauen verlangt werden, soweit diese nicht mehr als 20 % der massgeblichen Erneuerungskosten oder nicht mehr als 5 % des Gebäudeversicherungswerts betragen.
Der Gebäudeversicherungswert hat nichts mit dem Steuerwert oder dem Verkehrswert zu tun, sondern entspricht den Wiederaufbaukosten des Gebäudes bei gleichem Ausbaustandard in derselben Grösse, zum gleichen Nutzen und am gleichen Standort. Die Schätzung erfolgt nach Bauende durch die Gebäudeversicherung.