Bau- und Immobilienrecht.

Alles neu macht der Frühling – Wenn der Stockwerkeigentümer zum Hammer greift

Mit dem Einzug des Frühlings erneuert sich nicht nur die Natur: Auch in Haus und Garten werden wieder zahlreiche Renovations- und Umbauprojekte in Angriff genommen. Bevor Sie aber Ihrer Kreativität freien Lauf lassen, sollten Sie sich gerade als Stockwerkeigentümer über die Grenzen Ihrer Rechte bewusst sein. Denn wer unrechtmässig baut, handelt sich nicht nur Zwist mit der Stockwerkeigentümergemeinschaft ein, sondern hat allenfalls mit hohen Kosten zu rechnen. Unter Umständen drohen einem Stockwerkeigentümer, der seine Kompetenzen überschreitet, nämlich neben den Kosten des Umbaus zusätzlich Kosten eines eventuellen Rückbaus. Um solche Risiken zu vermeiden, erläutern wir Ihnen nachfolgend, wer welche baulichen Veränderungen initiieren darf und wer die entsprechenden Kosten zu tragen hat.

1. Umbau innerhalb der eigenen vier Wände

Stockwerkeigentümer haben ein Sonderrecht, bestimmte Teile eines Gebäudes ausschliesslich zu nutzen und innen auszubauen. Ein Stockwerkeigentümer darf jedoch dadurch die Ausübung der freien Gestaltung eines anderen nicht erschweren und die gemeinschaftlichen Bauteile nicht beschädigen oder in ihrer Funktion resp. äusseren Erscheinung beeinträchtigen. So dürfen beispielsweise keine tragenden Wohnungswände entfernt werden, da ein Eingriff in die Tragstruktur das Stockwerkeigentum der anderen tangieren und bedrohen würde.

Seine eigene Wohnung kann ein Stockwerkeigentümer also ziemlich frei gestalten. Möchte er eine rosafarbene Küche einbauen, ist das allein seine Entscheidung. Schwierigkeiten bringen meist nur Bauteile mit sich, die zwar gefühlsmässig noch zur eigenen Wohnung gehören, aber juristisch schon zu den gemeinschaftlichen Teilen zählen. Betrachtet man beispielsweise ein Mehrfamilienhaus mit grünen Holzfensterläden mit einem ausgeschnittenen Herz, so dürfen die Fensterläden, selbst wenn sie vor den eigenen Wohnungsfenstern hängen, nicht ohne Weiteres vom Stockwerkeigentümer verändert werden, da sie zu den gemeinschaftlichen Teilen gehören. Das Gleiche gilt übrigens für Fenster und die äusseren Teile eines Balkons. Was sich nicht im Inneren der Räume der Stockwerkeinheit befindet, gehört im Zweifelsfall eher zu den gemeinschaftlichen Teilen. Ob Bauteile von einem Stockwerkeigentümer baulich verändert werden dürfen, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob diese im Sonderrecht stehen oder zu den gemeinschaftlichen Teilen gehören.

Innerhalb der eigenen Stockwerkeinheit besteht für den Eigentümer somit ein weitgehendes Veränderungsrecht, das nach eigenem Gutdünken beansprucht werden kann. Damit wird aber klar, dass der jeweilige Stockwerkeigentümer auch sämtliche Kosten selber tragen muss. Ist unklar, ob eine bauliche Veränderung nur die im jeweiligen Sonderrecht befindlichen Bauteile betrifft, lohnt es sich, bei der Verwaltung oder unter Umständen bei einem Rechtsanwalt nachzufragen.

2. Bauliche Massnahmen an den gemeinschaftlichen Teilen

2.1 Gemeinschaftliche Teile

Alle Teile, die nicht im Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers stehen, zählen zu den gemeinschaftlichen Teilen. Gewisse Gebäudeteile sind zwingend gemeinschaftlich. Bei den übrigen, nicht zwingend gemeinschaftlichen Gebäudeteilen kann die Stockwerkeigentümergemeinschaft die Zuordnung festlegen. Auf jeden Fall gemeinschaftlich ist beispielsweise der Boden der Liegenschaft. Ein Gartenteil kann also nicht dem Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers zugeordnet werden. Wie nachfolgend noch gezeigt wird, kann zugunsten eines Stockwerkeigentümers aber ein Sondernutzungsrecht an einem Gartenanteil begründet werden. Demgegenüber können beispielsweise ein Hallenbad oder Geräteräume problemlos den gemeinschaftlichen Teilen zugeordnet werden, damit diese allen Stockwerkeigentümern zur Verfügung stehen.

2.2 Bauliche Veränderungen

Will ein Stockwerkeigentümer gemeinschaftliche Gebäudeteile umbauen, so ist dazu das Einverständnis der anderen Stockwerkeigentümer erforderlich. Glücklicherweise ist nicht für jede bauliche Veränderung die Zustimmung sämtlicher Stockwerkeigentümer notwendig. Wie viele Stockwerkeigentümer die jeweilige Massnahme befürwortet müssen, hängt davon ab, ob diese notwendig oder nützlich ist oder bloss der Verschönerung und Bequemlichkeit dient. Bevor ein Bauprojekt in die Tat umgesetzt werden kann, gilt es deshalb abzuklären, ob gemeinschaftliche Bauteile oder Gebäudeteile im Sonderrecht betroffen sind und ob es sich um notwendige, nützliche oder luxuriöse Massnahmen handelt.

Die gesetzliche Kategorisierung nach Sachnutzen und die zugehörigen Quoren können durch die Nutzungs- und Verwaltungsordnung im Rahmen des Gesetzes teilweise abgeändert werden. Im Hinblick auf eine Beschlussfassung sollte also stets zuerst die Nutzungs- und Verwaltungsordnung konsultiert werden.

a. Notwendige bauliche Massnahmen

Eine bauliche Massnahme ist als «notwendig» zu qualifizieren, wenn diese für den Werterhalt oder die Gebrauchsfähigkeit der Sache unerlässlich ist. Dazu gehören u.a. Renovationsarbeiten, die den Zerfall oder die Zerstörung eines (gemeinschaftlichen) Gebäudeteils verhindern sollen. Müssen beispielsweise nach einem Wasserrohrbruch Rohre und ein Gehweg repariert werden, fallen diese Arbeiten in die Kategorie der notwendigen baulichen Massnahmen. Damit solche baulichen Massnahmen in Auftrag gegeben werden können, muss zuvor die Mehrheit aller an der Stockwerkeigentümerversammlung anwesenden (oder vertretenen) Stockwerkeigentümer zustimmen. Kommt es zu keinem oder einem negativen Entscheid oder weigert sich der Verwalter eine Versammlung einzuberufen, kann sich der einzelne Stockwerkeigentümer an den Richter wenden.

Oft kann der Entscheid der Stockwerkeigentümergemeinschaft oder des Richters nicht abgewartet werden, ohne dass das Stockwerkeigentum merklichen Schaden nehmen würde. Wurde das Dach beispielsweise durch einen umgestürzten Baum beschädigt, muss eine Reparatur zeitnah stattfinden, um weitere Schäden durch eintretendes Wasser zu verhindern. Kann oder wird über eine Reparatur also nicht innert nützlicher Frist entschieden, darf ein Stockwerkeigentümer selber Massnahmen ergreifen und das Dach auf Kosten der Stockwerkeigentümergemeinschaft reparieren lassen.

Droht dem Stockwerkeigentum Gefahr, hat ein Eigentümer nicht nur das Recht, sondern sogar eine Pflicht zu handeln. Wurde das Dach beispielsweise im Bereich der Wohnung eines anderen Stockwerkeigentümers beschädigt, der gerade längere Zeit ferienabwesend ist, sind die übrigen Stockwerkeigentümer sogar bei fehlender direkter Betroffenheit gezwungen, den Verwalter zu informieren und zu handeln, sofern dieser nicht erreichbar ist oder untätig bleibt.

Die Kosten von notwendigen Massnahmen haben die Stockwerkeigentümer proportional zu ihren Quoten zu tragen. Der dringlich handelnde Stockwerkeigentümer kann das zu viel Bezahlte von jedem Einzelnen oder von der Stockwerkeigentümergemeinschaft zurückfordern.

b. Nützliche bauliche Massnahmen

Nützliche bauliche Veränderungen dienen in erster Linie dem Zweck, das Stockwerkeigentum zu modernisieren. Der Wert der Sache wird dadurch gesteigert und/oder die Wirtschaftlichkeit oder die Gebrauchsfähigkeit verbessert. Als Beispiele dafür können der Ersatz eines bestehenden Heizkessels durch eine energieeffizientere und umweltfreundlichere Anlage, der Einbau einer Garage oder eines Aufzugs oder Massnahmen zur Verbesserung der Wärme- und Schallisolation angeführt werden.

Der Beschluss einer bloss nützlichen, aber nicht notwendigen baulichen Massnahme erfordert eine breitere Zustimmung. An der Stockwerkeigentümerversammlung muss deshalb die Mehrheit aller anwesenden (oder vertretenen) Stockwerkeigentümer zustimmen, welche zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt. Der Gesetzgeber hat hier eine höhere Beschlusshürde vorgesehen als bei notwendigen Massnahmen; der einzelne Stockwerkeigentümer soll Kosten nur dann mittragen müssen, wenn eine Massnahme breite Unterstützung findet. Zudem hat der Gesetzgeber weitere Schutzmassnahmen für den einzelnen Stockwerkeigentümer eingerichtet: (1) Erschwert eine Massnahme den Gebrauch der Sache für einen Stockwerkeigentümer erheblich oder macht diese die Benutzung unwirtschaftlich, so bedarf sie der Zustimmung des betroffenen Stockwerkeigentümers. (2) Sind die Aufwendungen einer Massnahme für einen Stockwerkeigentümer unzumutbar, so kann die bauliche Massnahme ohne dessen Zustimmung nur durchgeführt werden, wenn die Kosten durch die übrigen Stockwerkeigentümer übernommen werden.

c. Luxuriöse bauliche Massnahmen

Die dritte Kategorie betrifft jene baulichen Massnahmen, die der Verschönerung und der Bequemlichkeit dienen. Diese sogenannten luxuriösen Massnahmen können den Wert oder die Gebrauchsfähigkeit der Sache ebenfalls erhöhen. Im Unterschied zu nützlichen baulichen Massnahmen dienen luxuriösen Massnahmen meist nur einzelnen Stockwerkeigentümern. Der Übergang von nützlichen zu luxuriösen baulichen Massnahmen ist dabei häufig fliessend. Um Stockwerkeigentümer vor hohen Kostenfolgen zu schützen, ist im Zweifelsfall von einer luxuriösen Massnahme auszugehen. Folgende Beispiele sind als luxuriöse Massnahmen anzusehen: Das Verlegen von Marmorplatten im Treppenhaus, der Einbau eines Schwimmbads, das Erstellen eines Zierbrunnens oder die Verschönerung der Fassade durch Mosaik.

Kosten für bauliche Massnahmen sollen Stockwerkeigentümern gegen ihren Willen nur auferlegt werden können, wenn diese Massnahmen einen gewissen Sinn haben. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber festgelegt, dass für luxuriöse bauliche Veränderungen die Zustimmung von sämtlichen Stockwerkeigentümern – auch den nicht an der Versammlung anwesenden oder vertretenen – erforderlich ist. Eine Ausnahme gibt es: Wollen die mit qualifizierter Mehrheit (d.h. mit der Mehrheit der Stimmen und Anteile) an der Stockwerkeigentümerversammlung anwesenden (oder vertretenen) Stockwerkeigentümer beispielsweise unbedingt einen Zierbrunnen im Eingangsbereich erstellen, so können sie sich unter zwei Voraussetzungen über nicht zustimmende Stockwerkeigentümer hinwegsetzen. Erstens dürfen nicht zustimmende Stockwerkeigentümer in ihrem Nutzungs- und Gebrauchsrecht nicht übermässig (dauernd) eingeschränkt werden; für allfällige kleinere Einschränkungen müssen diese angemessen entschädigt werden. Dieses Kriterium sollte bei der Installation eines Zierbrunnens wohl kein Problem darstellen. Zweitens müssen die Kosten des Zierbrunnens durch die zustimmenden Eigentümer getragen werden.

3. Der Stolperstein «Sondernutzungsrecht»

Vielen Stockwerkeigentümern ist nicht bekannt, dass sie an ihrem Gartenanteil nicht ohne Weiteres bauliche Veränderungen vornehmen dürfen. Ein Gartenanteil wird zwar meist dem Eigentümer eines Stockwerkanteils zur ausschliesslichen Benutzung überlassen, gehört aber zu den gemeinschaftlichen Teilen. Mit anderen Worten wird dem betreffenden Stockwerkeigentümer ein ausschliessliches Nutzungsrecht eingeräumt, welches als Sondernutzungsrecht bezeichnet wird. Im Gegensatz zum Sonderrecht dürfen Gebäudeteile, für die ein Sondernutzungsrecht besteht, aber nicht nach Belieben baulich verändert werden. Es ist an der Stockwerkeigentümergemeinschaft zu entscheiden, ob eine bauliche Veränderung vorgenommen werden darf. Ein Beschluss wird nach den allgemeinen Massstäben bei den gemeinschaftlichen Teilen gefällt. Diesbezüglich ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei den meisten baulichen Massnahmen auf einem gemeinschaftlichen Gebäudeteil mit Sondernutzungsrecht um luxuriöse Massnahmen handelt, weil diese ausschliesslich dem begünstigten Stockwerkeigentümer zugutekommen.

4. Bauliche Massnahmen im Stockwerkeigentum – Ein häufiger Streitherd

Stehen bauliche Massnahmen an, so empfiehlt es sich, diese sowohl in planerischer als auch in rechtlicher Hinsicht gut vorzubereiten: Denn wer seine Kompetenzen überscheitet, muss allenfalls mit hohen Mehrkosten und viel Ärger rechnen. Leider ziehen oft nicht alle Stockwerkeigentümer am gleichen Strick, wenn es um den Unterhalt und die Erneuerung der gemeinschaftlichen Teile geht. Gerade bei älteren und somit sanierungsbedürftigen Häusern, bei welchen bereits zahlreiche Stockwerkeigentümerwechsel stattgefunden haben, sollten zukünftig notwendige Renovationen und die damit verbundene Kostentragungspflicht frühzeitig angesprochen werden. Grösseren Konflikten kann häufig entgegengewirkt werden, wenn ein Erneuerungsfonds in genügender Höhe besteht, da dadurch die einmaligen finanziellen Auswirkungen auf den einzelnen Stockwerkeigentümer verringert werden können. Es empfiehlt sich deshalb, im Hinblick auf künftig umzusetzende bauliche Massnahmen, rechtzeitig einen Erneuerungsfonds einzurichten.

5. Fazit

Wo Menschen aufeinandertreffen, zeigen sich die Freuden und Leiden, die das Leben mit sich bringt. Dies ist auch beim Stockwerkeigentum nicht anders. Damit die Freuden des Zusammenlebens überwiegen, gilt es, über das Wesen des Stockwerkeigentums Klarheit zu schaffen und Streitigkeiten, insbesondere in Bezug auf die Kosten, vorzubeugen. Somit sollte einem kreativen Frühling nichts mehr im Wege stehen.

Philipp Laube
Dr. iur. HSG
Rechtsanwalt und dipl. Architekt HTL
Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht
chkp. Rechtsanwälte Notariat
Baden
unter Mitarbeit von MLaw Sandra Janine Schneider