Bau- und Immobilienrecht.

Attikageschosse in der neuen Bauverordnung

Neben vielen weiteren Entscheidungen stellt sich Bauherren bei der Planung eines Gebäudes auch die Frage nach der gewünschten Dachform. Fällt die Wahl auf ein Gebäude mit Flachdach, so werden oft Attikageschosse erstellt und die übrige Dachfläche als Terrasse genutzt. Mit der neuen Bauverordnung vom 1. September 2011 wurden die diesbezüglich anwendbaren Bestimmungen einer Anpassung unterzogen.

Revision der Verordnung zum Baugesetz

Die Begriffsvielfalt des Baupolizeirechts, welches Sache der einzelnen Kantone ist, führte in der Vergangenheit immer wieder zu Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung. Um das Bauen zu vereinfachen und dieser Begriffsvielfalt entgegenzuwirken, wurde von einigen Kantonen die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB) ins Leben gerufen, mit welcher eine Vereinheitlichung der kantonalen Baubegriffe und Messweisen anstrebt wird.

Der Kanton Aargau ist der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB) am 20. Januar 2010 beigetreten, womit eine umfassende Revision der Verordnung zum Baugesetz erforderlich wurde. In der neuen Bauverordnung (BauV) wurden die kantonalen Begriffe und Messweisen mit den Bestimmungen des Konkordats in Übereinstimmung gebracht, weshalb sich mit dem Inkrafttreten am 1. September 2011 einige wichtige Änderungen ergeben haben. Unter anderem wurde in § 25 der neuen Bauverordnung (BauV) auch die bisherige Definition des Attikageschosses einer Änderung unterzogen.

Regelung der Attikageschosse

Gemäss der bisherigen Definition von § 16a der allgemeinen Verordnung zum Baugesetz (ABauV) durfte die Grundfläche des Attikageschosses höchstens einem Geschoss entsprechen, welches auf den Längsseiten um das Mass seiner Höhe von der Fassade zurückversetzt ist. Mit Ausnahme der Dachvorsprünge mussten alle Bauteile innerhalb dieser möglichen Grundfläche liegen, wobei das Verwaltungsgericht im Entscheid vom 26. März 2010 (WBE.2009.99) bezüglich der Dachvorsprünge festhielt, dass diese bis höchstens 30 cm über die zulässige Attikagrundfläche hinausragen dürfen.

Insbesondere bei kleineren, länglichen Gebäudegrundrissen führte die bisherige Definition, welche in den Nutzungsordnungen der Gemeinden teilweise noch verschärft wurde, meist dazu, dass für den Hauseigentümer nur eine geringe nutzbare Fläche resultierte und die Erstellung von konventionellen Dachgeschossen deshalb oft vorgezogen wurde. Daran änderte auch die bestehende Möglichkeit der freien Anordnung der Grundfläche, soweit dadurch die Nachbargrundstücke nicht übermässig beeinträchtigt wurden, nichts.

Mit der neuen Regelung des Attikageschosses in § 25 BauV wurde bezüglich der Ermittlung der zulässigen Grundfläche eine erhebliche Verbesserung erzielt. Nach der neuen Bestimmung darf die Grundfläche eines Attikageschosses höchstens 60% der Fläche eines Vollgeschosses betragen, wobei das Attikageschoss so platziert werden muss, dass es auf einer Längs- oder Breitseite mindestens um das Mass seiner Höhe gegenüber dem darunterliegenden Geschoss zurückversetzt ist. Soweit die Nachbargrundstücke nicht übermässig beeinträchtigt werden, ist die Anordnung der Grundfläche im Übrigen frei. Die Form des Gebäudegrundrisses hat damit keinen Einfluss mehr auf die zulässige Grundfläche. In Bezug auf die Dachvorsprünge erfolgte mit der Revision der Bauverordnung zudem eine Lockerung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung. So wird in § 25 BauV nun ausdrücklich festgehalten, dass Dachvorsprünge bis 60 cm ohne Anrechnung an die Grundfläche zulässig sind.

Anwendung der neuen Bestimmungen

Ob die Attraktivität von Attikageschossen für die Hauseigentümer mit der neuen Regelung in § 25 BauV gegenüber der bisherigen Regelung gesteigert wird, muss die Zukunft zeigen. Bevor die neuen Bauvorschriften aber zur Anwendung gelangen können, bedarf es der vorgängigen Anpassung der kommunalen Nutzungsordnungen. Den Gemeinden wird dazu eine Frist von zehn Jahren eingeräumt..

Solange die Gemeinden ihre Nutzungsordnung noch nicht an die neue Bauverordnung angepasst haben, treten die §§ 16 - 31 BauV mit Anhängen 1 + 2 noch nicht in Kraft und es gelten die in Anhang 3 der neuen Bauverordnung aufgeführten Übergangsbestimmungen, welche den Bestimmungen der bisher anwendbaren Allgemeinen Verordnung zum Baugesetz (ABauV) entsprechen. Im Kanton Aargau gelten also während zehn Jahren, d.h. bis zum 31. August 2021, je nach Gemeinde unterschiedliche kantonale Bestimmungen über die Baubegriffe und Messweisen. Bis auf weiteres müssen Bauherren deshalb genau prüfen, ob das neue Recht in ihrer Gemeinde bereits anwendbar ist.

chkp. nahm das Inkrafttreten der neuen Bauverordnung zum Anlass, eine Gesetzesausgabe zur Baugesetzgebung des Kantons Aargau mit Hinweisen auf wichtige Änderungen in der neuen Bauverordnung per 1. September 2011 herauszugeben. Die Publikation "Die Baugesetzgebung des Kantons Aargau" kann bei chkp. Rechtsanwälte Notariat Steuerberatung, Schwertstrasse 1, 5400 Baden, Tel. 056 204 41 11 oder www.chkp.ch bezogen werden.

Philipp Laube

Dr. iur HSG

Rechtsanwalt und dipl. Architekt HTL

chkp. Rechtsanwälte Notariat und Steuerberatung Baden

 

Beitrag für Magazin HEV "Wohnwirtschaft" im April 2012