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Ausgleichung bei Erbvorbezügen und Schenkungen

Viele Eltern schenken ihren Kindern zu Lebzeiten Vermögenswerte, sei es, weil ein Nachkomme eine Liegenschaft erwerben will oder ein eigenes Geschäft eröffnet. Solche Schenkungen an Nachkommen sind jedoch nicht unproblematisch. Das zeigt das folgende Beispiel.

Hans hat zwei Kinder, Klara und Klaus. Er schenkt Klara die Wohnung in Wettingen, Klaus einen Barbetrag von CHF 200'000.00 für die Gründung einer Firma. Er geht davon aus, dass seine Kinder damit gleich viel erhalten haben. Bei seinem Versterben hat die Wohnung in Wettingen aufgrund der konjunkturellen Entwicklung einen Mehrwert von CHF 50'000. Der Nachlass von Hans beträgt CHF 550'000. Wie viel erhalten Klara und Klaus aus dem Nachlass?

Was ist die Ausgleichung?

Grundsätzlich kann jeder Ehegatte zu Lebzeiten frei über sein Vermögen verfügen. Schenkungen an gesetzliche Erben, wie beispielsweise Nachkommen, können jedoch an deren Erbteil angerechnet werden. Dieses «Anrechnen lassen» heisst Ausgleichung. Der Nachlass vergrössert sich um den geschenkten Vermögenswert.

Wer ist ausgleichungspflichtig?

Gemäss Gesetz sind die Nachkommen ausgleichungspflichtig. Dahinter steckt der Gedanke der Gleichbehandlung. Jedes Kind soll von seinen Eltern gleich viel erhalten. Möchte der Erblasser gewisse Nachkommen bewusst bevorzugen, kann er diese von der Ausgleichungspflicht befreien. Eine solche Befreiung ist zu Beweiszwecken schriftlich festzuhalten. Sind Nachkommen von der Ausgleichungspflicht befreit, so kann die Schenkung von den pflichtteilsgeschützten Erben nur angefochten werden, wenn dadurch ihre Pflichtteile verletzt werden.

Zuwendungen an andere gesetzliche Erben, wie Ehegatten oder Eltern, sind dagegen nicht ausgleichungspflichtig, es sei denn, der Erblasser habe die Ausgleichungspflicht explizit angeordnet. Auch hier ist die Grenze solcher Schenkungen das Pflichtteilsrecht der pflichtteilsgeschützten Erben.

Klara und Klaus im Ausgangsbeispiel sind als Nachkommen ausgleichungspflichtig. Hans hat sie nicht von der Ausgleichungspflicht befreit.

Was ist ausgleichungspflichtig?

Unentgeltliche Zuwendungen sind ausgleichungspflichtig. Beispiele sind Schenkungen von Barbeträgen, das Überlassen einer Wohnung ohne Bezahlung eines Mietzinses oder die Übertragung eines Hauses zu einem deutlich tieferen Preis. Schenkungen an Nachkommen müssen zudem der Begründung, Sicherung oder Verbesserung der Existenz dienen (sog. Ausstattungscharakter haben). Ob eine Zuwendung im Einzelfall Ausstattungscharakter hat oder als eine reine Luxus- oder Vergnügungszuwendung zu qualifizieren ist, kann umstritten sein.

Erziehungskosten unterliegen nur der Ausgleichung, wenn sie das übliche Mass übersteigen wie beispielsweise die Übernahme der Kosten für ein Nachdiplomstudium. Gelegenheitsgeschenke sind am Erbteil nicht anzurechnen.

Die Wohnung von Klara und der Geldbetrag an Klaus haben Ausstattungscharakter. Beide Vermögenswerte sind ausgleichungspflichtig, das heisst dem Nachlass hinzuzurechnen.

Welcher Wert ist ausgleichungspflichtig?

Muss die Zuwendung ausgeglichen werden, stellt sich die Frage nach dem Wert. Entscheidend ist der Wille des Erblassers. Das bedeutet, dass der Erblasser die Höhe des Wertes selber festlegen kann. Hat er keinen Wert bestimmt, so ist grundsätzlich der Verkehrswert am Todestag massgebend. Für Geldbeträge gilt das Nominalwertprinzip. Das heisst, dass keine Zinsen hinzugerechnet werden. Klaus wird somit CHF 200'000 angerechnet. Bei Grundstücken hingegen ist der Marktwert im Zeitpunkt des Erbganges massgebend. Klara muss sich deshalb CHF 250'000 anrechnen lassen. Komplizierter würde es, wenn Klara das Dach ihrer Wohnung auf eigene Kosten saniert hätte.

Die Erbteilung im Ausgangsbeispiel sieht wie folgt aus: Der gesamte Nachlass beträgt CHF 1'000'000 (CHF 550'000 plus CHF 200'000 Vorbezug an Klaus plus CHF 250'000 Vorbezug an Klara). Klaus erhält aus dem Nachlass seines Vaters CHF 300'000 und Klara CHF 250'000. Wäre es der Wunsch von Hans gewesen, dass sich Klara auch nur CHF 200'000 anrechnen lassen muss, hätte er sie entweder im Umfang des konjunkturellen Mehrwertes von der Ausgleichung befreien oder ihr anstelle der Wohnung einen Barbetrag von CHF 200'000 für den Kauf der Wohnung schenken können.

Abmachungen treffen

Da es im Rahmen der Erbteilung nicht immer klar ist, ob Zuwendungen auszugleichen sind oder nicht und wenn ja zu welchem Wert, ist es sinnvoll, immer schriftlich festzuhalten, ob und in welchem Umfang diese beim Nachlass anzurechnen sind. Es lohnt sich, Fachpersonen zu konsultieren. So können Erbstreitigkeiten vermieden werden.