Bau- und Immobilienrecht.

Eigentum und Besitz – Eine beispielhafte Erläuterung

Die Begriffe Besitz und Eigentum sind aus dem Alltag nicht wegzudenken. Von Laien werden sie meist gleichbedeutend verwendet, da wenig bekannt ist, dass Besitz und Eigentum rechtlich nicht dasselbe ist. Am Beispiel der Familie Schweizer werden die Begriffe samt deren Unterkategorien im Folgenden erläutert.

 

1. Das Eigentum

Das Eigentum ist ein dingliches Recht. Dinglich bedeutet, dass man ein bestimmtes Recht an einer Sache hat, das gegenüber jedermann gilt. Das Eigentum ist das umfangreichste dingliche Recht. Es verschafft dem Eigentümer, also dem Rechtsinhaber, alle Befugnisse über eine Sache, soweit diese nicht durch Gesetz oder Vereinbarung begrenzt werden. Mit anderen Worten, wer Eigentümer einer Sache ist, kann mit dieser alles machen, was nicht verboten ist oder vertraglich ausgeschlossen wurde. Wenn die Mutter der Familie Schweizer ihr fabrikneues Auto mit farbigen Punkten verschönern will, so kann sie dies ohne Weiteres tun, wenn sie Eigentümerin des Autos ist. Hat sie das Auto aber gemietet oder geleast, so ist sie nicht Eigentümerin und darf das neue Auto nur entsprechend der vertraglichen Vereinbarung nutzen. Ebenso kann der Vater der Familie Schweizer seine eigene Kochbuchsammlung an Dritte verschenken oder verkaufen, selbst wenn die übrigen Familienmitglieder damit nicht einverstanden sind.

Jeder Staat kann die Ausgestaltung des Eigentumsrechts und die Eigentumsarten selber festlegen. Beispielsweise sah der schweizerische Gesetzgeber das aus den vorherigen kantonalen Gesetzen bekannte Stockwerkeigentum bei der Einführung des Zivilgesetzbuches im Jahre 1912 nicht vor. Erst im Jahre 1965 wurde diese Eigentumsform wieder eingeführt. Auch im internationalen Vergleich lassen sich Unterschiede feststellen. So kennen z.B. Rechtsordnungen in sozialistisch geprägten Staaten das Privateigentum häufig nur in beschränkter Form.

Ein wichtiges Merkmal des Eigentums ist dessen Wirkung gegenüber Dritten. Wer Eigentümer ist, kann Dritte von der Nutzung ausschliessen. Die Tochter der Familie Schweizer kann deshalb einen Mitschüler ohne Weiteres davon abhalten, ihre Tagebücher zu lesen, diese zu zerstören oder anderweitig damit in Berührung zu kommen. Entsprechend stellt unsere Rechtsordnung dem Eigentümer besondere Klagen zur Verfügung, um sein Eigentumsrecht zu schützen.

2. Der Besitz

Der Besitz wird im Alltag häufig mit dem Eigentum gleichgesetzt. Rechtlich ist eine Person Besitzerin einer Sache, wenn sie die tatsächliche Gewalt (Sachherrschaft) über diese hat. Im Unterschied zum Eigentum knüpft der Besitz eher an die tatsächlichen als an die rechtlichen Gegebenheiten an. Leiht sich die Tochter der Familie Schweizer beispielsweise ein Kochbuch ihres Vaters aus, so ist sie Besitzerin des Kochbuches. Eigentümer bleibt hingegen stets ihr Vater.

Die Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz ermöglicht es, dass ein Eigentümer sein Eigentum Dritten zur Verfügung stellen kann, ohne dass er das Eigentum daran aufgeben müsste. Er bleibt Eigentümer. Das Institut des Besitzes schützt den rechtmässigen Besitzer sodann auch gegenüber Eingriffen von Dritten. Dies kann am Beispiel der Söhne der Familie Schweizer gezeigt werden: Der ältere Sohn der Familie Schweizer ist Eigentümer einer Wohnung. Wird dessen Eigentumsrecht an der Wohnung durch Dritte beeinträchtigt, so stehen ihm die Eigentumsklagen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches zur Verfügung. Er kann beispielsweise die Herausgabe der besetzten Wohnung gerichtlich erzwingen. Demgegenüber lebt der jüngere Sohn der Familie Schweizer als Mieter in einer Mietwohnung. Er ist damit nur Besitzer der Wohnung. Der Vermieter bleibt Eigentümer der Wohnung. Hätte der Besitz in der Schweizer Rechtsordnung keine besondere Stellung, so könnte der jüngere Sohn der Familie Schweizer in derselben Situation seine Wohnung nicht so leicht von Wohnungsbesetzern zurückverlangen wie sein älterer Bruder. Vielmehr müsste der Eigentümer beigezogen werden. Da das Schweizerische Zivilgesetzbuch aber auch für Besitzer entsprechende rechtliche Mittel vorsieht, ist der Besitzer nicht auf die Unterstützung des Eigentümers angewiesen und kann sein Rechte selber durchsetzen.

3. Eigentumsarten

Im Schweizer Recht wird einerseits zwischen Grund- und Fahrniseigentum, andererseits zwischen Alleineigentum und gemeinschaftlichem Eigentum unterschieden. Letzteres kann in das einfache und das qualifizierte Miteigentum sowie das Gesamteigentum unterteilt werden.

3.1 Grund- und Fahrniseigentum
Der Eigentümer einer Liegenschaft ist Grundeigentümer. Demgegenüber ist der Eigentümer eines beweglichen Gegenstandes, z.B. eines Autos, Fahrniseigentümer. Weniger bekannt ist, dass auch bestimmte Rechte an Liegenschaften als Grundeigentum qualifiziert werden. Ist die Mutter der Familie Schweizer Begünstigte eines im Grundbuch eingetragenen selbstständigen und dauernden Baurechts, so ist sie ebenfalls Grundeigentümerin, auch wenn sie nicht Eigentümerin des Grundstücks ist, auf welchem das Baurecht begründet wurde. Grundeigentümer ist auch der älteste Sohn der Familie Schweizer, welchem eine Wohnung im Stockwerkeigentum gehört. Ein selbständiger Miteigentumsanteil an einem Grundstück gilt wiederum als Grundstück und stellt wie alle Grundstücke Grundeigentum dar. Alles, was in eine der vom Gesetz bestimmten Grundstückskategorien fällt, gilt als Grundeigentum. Alles andere stellt Fahrniseigentum dar.

Die Unterscheidung ist bedeutsam, da für das Grundeigentum und das Fahrniseigentum jeweils spezielle Bestimmungen gelten. Vor allem bei der Übertragung von Eigentum müssen besondere gesetzliche Vorschriften beachtet werden. Ein Kaufvertrag über das Haus der Familie Schweizer muss notariell beurkundet sein. Möchte es der jüngere Sohn der Familie Schweizer seinem Bruder also gleichtun und auch eine Wohnung kaufen, so empfiehlt es sich unbedingt, dass er sich vorgängig bei einem Notar informiert.

3.2 Alleineigentum und gemeinschaftliches Eigentum
Wer Alleineigentümer ist, dem gehört eine Sache alleine und er kann selber darüber verfügen. Hat sich die Tochter der Familie Schweizer z.B. ein Notebook einzig für sich gekauft, so ist sie alleinige Eigentümerin und muss niemanden fragen, bevor sie über dieses verfügt. Steht das Eigentum an einer Sache demgegenüber mehreren Personen gleichzeitig und auf die gleiche Weise zu, so handelt es sich um «gemeinschaftliches Eigentum». Dabei bezieht sich die Formulierung «auf die gleiche Weise» auf die Rechtstellung der Personen. Gemeinschaftseigentümer haben bezüglich der Sache die qualitativ gleiche Rechtsstellung. Den beiden Söhnen der Familie Schweizer gehört die zu gleichen Teilen bezahlte Bohrmaschine gemeinsam; es handelt sich also um gemeinschaftliches Eigentum.

Das gemeinschaftliche Eigentum kann entweder einfaches oder qualifiziertes Miteigentum oder Gesamteigentum darstellen. Für Gesamteigentum wird dabei ein spezielles, persönliches Gemeinschaftsverhältnis vorausgesetzt, welches nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen (z.B. bei Erbengemeinschaften, bei einfachen Gesellschaften und bei der Gütergemeinschaft) besteht. Kaufen die beiden Söhne der Familie Schweizer beispielsweise Mobiliar für ihre Hobbywerkstatt, die sie als einfache Gesellschaft betreiben, so stellt dieses Gesamteigentum dar. Damit kann das Mobiliar weder vom jüngeren noch vom älteren Sohn selbstständig verkauft werden; über Gesamteigentum wird grundsätzlich von der Gemeinschaft verfügt.

Demgegenüber setzt das Miteigentum kein persönliches Gemeinschaftsverhältnis voraus. Die beiden Söhne der Familie Schweizer können sich also gemeinsam ein Auto für den privaten Gebrauch kaufen. Jeder Miteigentümer kann dabei sein Recht anteilsmässig ausüben und mangels anderer Vereinbarung über seinen Anteil frei verfügen. Dies gilt aber bei Miteigentum an einem Grundstück nicht gleichermassen: Bei Grundstücken im Miteigentum besteht gegenüber Nichtmiteigentümern ein gesetzliches Vorkaufsrecht der Miteigentümer, welches jedoch vertraglich wegbedungen werden kann.

Beim einfachen Miteigentum erstreckt sich das Eigentum eines jeden Miteigentümers auf die ganze Sache. Das Auto der Söhne der Familie Schweizer gehört beiden und sie können je einzeln über ihren Miteigentumsanteil verfügen. Folglich kann der jüngere Sohn seinen Anteil an seine Schwester verkaufen.

Beim qualifizierten Miteigentum, besser bekannt als Stockwerkeigentum, ist der Miteigentumsanteil mit einem Sonderrecht verbunden. Aufgrund dieses Sonderrechts kann die ausschliessliche Nutzung eines bestimmten Teils des Miteigentums sichergestellt werden. Der älteste Sohn der Familie Schweizer kann seine Wohnung folglich alleine nutzten. Kein anderer Stockwerkeigentümer (Miteigentümer) des Wohnhauses hat das Recht, ebenfalls dort zu wohnen. Über seinen Stockwerkeigentumsanteil kann er sodann frei verfügen, da im Unterschied zum einfachen Miteigentum beim Stockwerkeigentum kein gesetzliches Vorkaufsrecht besteht.

Mit der gesetzlichen Regelung des Eigentums und des Besitzes wird eine reibungslose Nutzung der uns zur Verfügung stehenden Sachen erreicht. Damit kann z.B. auch künftig garantiert werden, dass die Nachbarn bei Stockwerkeigentum trotz ihrer Miteigentümerstellung die Wohnung des ältesten Sohnes der Familie Schweizer nicht in Beschlag nehmen dürfen. Wie die verschiedenen Beispiele gezeigt haben, ist es wichtig, dass die verschiedenen vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Instrumente und Gefässe richtig gewählt und eingesetzt werden. Gerade bei grösseren Anschaffungen ist es deshalb wichtig, sich Gedanken zur optimalen Eigentumsform zu machen und sich diesbezüglich vorgängig beraten zu lassen.

 

Philipp Laube
Dr. iur. HSG
Rechtsanwalt und dipl. Architekt HTL
Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht
chkp. Rechtsanwälte Notariat
Baden
unter Mitarbeit von MLaw Sandra Janine Schneider

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