Bau- und Immobilienrecht.

§ 17 BauV Terrassenhäuser

1 Terrassenhäuser sind in der Höhe gestaffelte Gebäude (Ziff. 6.1 Anhang 1 IVHB), wenn die Gebäudestufen der Hangneigung nach versetzt sind und das Verhältnis der Grundflächen von Terrasse und zurückversetzter Gebäudeeinheit mindestens 1:3 beträgt. Teile des Gebäudekubus, die vollständig unter dem massgebenden Terrain liegen und nicht sichtbar sind, sind nicht mitzurechnen.

1. Terrassiertes Bauen

Terrassenhäuser sind Treppenbauten an Hanglagen, bei denen die versetzte Anordnung der einzelnen Gebäudestufen auf einem baulichen Sachzwang beruht (AGVE 2005, S. 156 m.w.H.). Als "terrassiert" gelten daher der Hangneigung nach erstellte Gebäudestufen von einem oder mehreren übereinander-liegenden Geschossen, wobei jede Stufe in der Regel eine selbständige Wohneinheit nach dem Mo-dell eines Einfamilienhauses bildet. Die einzelnen Gebäudestufen der Terrassenbaute liegen zwar senkrecht übereinander, gelten aber nicht als "senkrecht übereinander liegend", da sie dies nur teilwei-se tun (AGVE 2014, S. 437).

Definitionsgemäss kann ein Terrassenhaus im Sinne von § 17 Abs. 1 BauV nur dann vorliegen, wenn die Treppenbaute an einem Hang gebaut wird, d.h. an einer Stelle, an der das massgebende Terrain um mehr als 10 % geneigt ist. Abzustellen ist dabei auf den natürlich gewachsenen Geländeverlauf (Ziff. 1.1 Anhang 1 BauV; IVHB-Erläuterungen, S. 1).

Aufgrund seiner topographischen Gegebenheiten verfügt der Kanton Aargau über viele Hügel. Für die Bebauung der Hanglagen eignen sich Terrassenhäuser daher besonders, weshalb sie sich grosser Beliebtheit erfreuen. Durch die in der Schweiz fortschreitende Verdichtung sowie den Umstand, dass Terrassenhäuser wenige bis keine Agrarflächen beanspruchen, ist davon auszugehen, dass das Interesse an Terrassenüberbauungen in Zukunft hoch bleiben wird.

2. Die 1:3-Regel

2.1 Allgemeines

Gemäss § 17 Abs. 1 BauV muss das Verhältnis der Grundflächen von Terrasse und zurückversetzter Gebäudeeinheit mindestens 1:3 betragen. Mit anderen Worten darf die Fläche der zurückversetzten Gebäudeeinheit dividiert durch die Terrassenfläche nicht mehr als 3 ergeben bzw. es muss die Terras-senfläche mindestens ein Viertel der Gesamtfläche der Stufe (Terrassenfläche und Fläche der zurück-versetzten Gebäudeeinheit) betragen.

Abbildung 1

Obwohl § 17 Abs. 1 BauV eher wie eine Definition als eine Vorschrift geschrieben ist, besteht aufgrund der Rechtsprechung kein Zweifel daran, dass es sich bei der 1:3-Regel um eine verbindliche Vorgabe für Terrassenhäuser handelt.

Hintergrund der 1:3-Regel ist, dass der Raum senkrecht über der unteren Stufe der oberen Stufe als verhältnismässig geräumiger Vorplatz oder Garten dienen soll und nicht bloss als überdimensionierter Balkon. Die Terrasse muss daher eine Mindestfläche im Verhältnis zur zurückversetzten Gebäudeeinheit aufweisen, um ihre Funktion erfüllen zu können (AGVE 2009, S. 153 ff.).

2.2 Messweise

Bei der Beurteilung der stufenweisen Anordnung ist dem optischen Eindruck besondere Bedeutung beizumessen. Weil sich die stufenartige Erscheinung verändert, wenn eine Terrasse von darüberliegenden Gebäudeteilen verdeckt wird, darf grundsätzlich nur die offene Fläche der Terrasse berücksichtigt werden.

Abbildung 2

Wenn also die Terrassenfläche gedeckt wird von einem auskragenden oberen Geschoss, einer aus-kragenden oberen Terrasse oder einem Vordach, welches eine nutzbare Erweiterung der (oberen) Ter-rassenfläche darstellt, so hat dies zur Folge, dass diese nicht als Terrassenfläche, sondern als Fläche der zurückversetzten Gebäudeeinheit zu berücksichtigen ist. Der überragende Terrassenteil kann weder der oberen (überragenden) noch der unteren (überragten) Terrassenfläche angerechnet werden. Letzteres hat einen doppelten Einfluss auf die Berechnung des Verhältnisses der Flächen, zumal sich einerseits die überragte Terrassenfläche verkleinert und sich andererseits die Fläche der zurückversetzten Gebäudeeinheit vergrössert (AGVE 2011, S. 440 ff. mit Hinweis auf AGVE 2009, S. 153 ff.).

Dachvorsprünge, die nicht mehr als 60 cm über die Fassade hinausragen, sind in diesem Zusammenhang unbeachtlich und die von ihnen gedeckte Fläche darf der Terrassenfläche angerechnet werden. Ragt ein Dachvorsprung jedoch weiter als 60 cm über die Fassade hinaus, so gilt er als Vordach im Sinne der obigen Ausführungen und es ist die gesamte darunterliegende Fläche als Fläche der zu-rückversetzten Gebäudeeinheit (und nicht als Terrassenfläche) anzurechnen. Begehbare Flächen, welche seitlich, hinter der talseitigen Fassadenflucht liegen, sind ebenfalls nicht an die Terrassenfläche anzurechnen, denn sie tragen nicht zur treppenförmigen Erscheinung der Baute bei. Die Fläche einer Absturzsicherung (z.B. eines Geländers) ist demgegenüber zur Terrassenfläche hinzuzurechnen (vgl. AGVE 2014, S. 438 f. m.w.H.).

Nutzbare Erweiterungen der Terrassenfläche sind insbesondere dann zur Fläche der zurückversetzten Gebäudeeinheit (und nicht zur Terrassenfläche) hinzuzurechnen, wenn diese Erweiterungen Schutz vor der Witterung bieten. Hierzu zählen Sonnenstoren oder vergleichbare Konstruktionen mit nach Bedarf über Führungsschienen ein- und ausfahrbaren Sonnenmarkisen (nicht aber Knickarmmarkisen). Gemäss diesem Grundsatz sind mit Drähten bespannte Rankengerüste nur dann nutzbare Erweiterungen, wenn sie derart dicht bewachsen sind, dass sie ein Blätterdach haben, welches vor den Wettereinflüssen schützt (AGVE 2011, S. 442 f.; vgl. AGVE 2014, S. 182 ff. m.w.H. und VGE III/87 vom 20. Dezember 2006 [WBE.2006.90], S. 7 f. betreffend Attikafläche).

Aus § 17 Abs. 1 BauV ergibt sich überdies, dass diejenigen Teile des Gebäudekubus, die vollständig unter dem massgebenden Terrain liegen und nicht sichtbar sind, nicht zu berücksichtigen sind (siehe vorstehende Abbildung 2 "Terrassenhaus", Buchstabe c).

3. Geschosszahl und Höhenvorschriften

Bei Gebäuden, die in der Höhe oder in der Situation gestaffelt sind (und damit auch bei Terrassen-häusern), wird wie bei anderen gestaffelten Gebäuden die Vollgeschosszahl für jedes Gebäude bzw. jeden Gebäudeteil separat ermittelt (Ziff. 6.1 Anhang 1 BauV).

Die Gesamt- und die Fassadenhöhe bemessen sich bei Terrassenhäusern grundsätzlich nach den allgemeinen Grundsätzen gemäss Ziff. 5 Anhang 1 BauV (vgl. auch IVHB-Erläuterungen, S. 9 ff.). Einzig in Gemeinden, welche ihre allgemeinen Nutzungspläne noch nicht an die Baubegriffe und Messweisen der IVHB angepasst haben, bemessen sich die Gebäude- und Firsthöhe noch separat für jeden Gebäudeteil (§ 12 Abs. 3 ABauV i.V.m. § 64 Abs. 1 BauV).

Jede zurückversetzte Fassade des Terrassenhauses muss für sich die Fassadenhöhe einhalten. Entgegen dem Wortlaut von Ziff. 5.2 Anhang 1 BauV liegt der untere Referenzpunkt bei zurückversetzten Fassaden aber nicht auf der Fassadenlinie, welche die Schnittlinie von Fassadenflucht und massgebendem Terrain bildet. Stattdessen bildet gemäss der Rechtsprechung der untere Referenzpunkt das massgebende Terrain, welches lotrecht unter dem oberen Referenzpunkt liegt (vgl. Figur 5.2 Anhang 2 BauV). Der Grund für diese Rechtsprechung ist, dass bei Terrassenhäusern die maximal zulässige Fassadenhöhe regelmässig überschritten würde, wenn die Fassadenlinie der untere Referenzpunkt wäre (zum Ganzen AGVE 2020, S. 556 ff.; vgl. Figur 5.2 Anhang 2 BauV; Erl. BauV-Rev 2021, S. 12).

Abbildung 3

Einzige Ausnahme von der Regel, wonach bei zurückversetzten Fassaden jede Fassade für sich die Fassadenhöhe einzuhalten hat, bilden Fassaden von Attikageschossen, die um das Mass ihrer Höhe gegenüber dem darunterliegenden Geschoss zurückversetzt sind, was im Fall eines Schrägdachs einem 45°-Winkel entspräche. Solche Attikafassaden haben keine festgelegte Fassadenhöhe einzuhalten (§ 21a Abs. 1 lit. c BauV; AGVE 2020, S. 556 ff.; vgl. Figur 5.2 Anhang 2 BauV).

4. Exkurse

4.1 Terrassenhäuser als Teil einer Arealüberbauung gemäss § 39 BauV

Bei gegebenen Voraussetzungen und mangels anderslautender Regelung durch die Gemeinde können Terrassenhäuser auch als Arealüberbauungen erstellt werden (§ 39 Abs. 1 und 2 BauV). Zu beachten ist dabei, dass Terrassenhäuser, die Teil einer Arealüberbauung sind und über vier oder mehr Wohneinheiten verfügen, als Mehrfamilienhäuser gelten (§ 18 Abs. 2 BauV).

Der Vorteil von Terrassenhäusern als Teil einer Arealüberbauung ist die Zulässigkeit gewisser Abwei-chungen von der Regelbauweise (vgl. § 39 Abs. 4 BauV). Dies kann bei Terrassenhäusern namentlich mit Blick auf die Gebäudelänge Sinn machen, weil diesbezüglich keine separierte Betrachtung der Gebäudeeinheiten stattfindet (§ 39 Abs. 4 lit. a BauV; vgl. AGVE 2016, S. 170 f.). Nachteile einer Be-urteilung als Mehrfamilienhäuser können hingegen zusätzliche Anforderungen sein mit Bezug auf die behindertengerechte Ausgestaltung oder die Pflicht zur Errichtung eines Spielplatzes.

4.2 Gestaffelte Bauten und Terrassenhäuser

Es stellt sich die Frage, ob die Begriffe "gestaffeltes Gebäude" und "Terrassenhaus" gleichzusetzen sind. Der Wortlaut von § 17 Abs. 1 BauV legt nahe, dass es sich bei Terrassenhäusern wohl um eine besondere Unterart gestaffelter Gebäude handelt. Das differenzierende Merkmal ist dabei die Hanglage der Terrassenhäuser.

Die Vorgaben gemäss § 17 BauV gelten nur für Terrassenhäuser. Auch wenn die 1:3-Regel nicht ein-gehalten ist, sind gestaffelte Gebäude in der Ebene und am Hang grundsätzlich zulässig. Zu beachten ist allerdings, dass diesfalls die Vorgaben betreffend Geschosse, Höhe und Gebäudelänge einzuhalten sind (vgl. EBVU 21.417 vom 12. Juli 2022, welcher sich jedoch auf die altrechtlichen §§ 12 f. A-BauV bezieht).

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