Bau- und Immobilienrecht.

§ 21a BauV Nichtanrechnung an die Fassadenhöhe (Ziff. 5.2 Anhänge IVHB)

1 Ohne Einfluss auf die Berechnung der Fassadenhöhe sind

a) Dachdurchbrüche, die von Fassadenflucht oder Dachrand um wenigstens 50 cm zurückversetzt sind,

b) Dachdurchbrüche, die fassadenbündig angeordnet oder weniger stark zurückversetzt sind als gemäss lit. a, wenn sie nicht breiter sind als ein Drittel der Fassadenlänge,

c) Attikageschossfassaden, die um das Mass ihrer Höhe zurückversetzt sind.

1. Fassadenhöhe

1.1. Begriff

Die Fassadenhöhe bildet das Mass, in welchem Fassaden (ohne Berücksichtigung allfälliger Abgrabungen) sichtbar sein dürfen. Die Fassadenhöhe ist gemäss Ziff. 5.2 Anhang 1 (zur BauV) der grösste Höhenunterschied zwischen der Schnittlinie der Fassadenflucht mit der Oberkante der Dachkonstruktion und der dazugehörigen Fassadenlinie. Als Fassadenflucht gilt die Mantelfläche, welche aus den lotrechten Geraden durch die äussersten Punkte des Baukörpers über dem massgebenden Terrain gebildet wird (Ziff. 3.1 IVHB). Die Fassadenlinie ist die Schnittlinie von Fassadenflucht und massgebendem Terrain (Ziff. 3.2 IVHB). Für die Begrifflichkeiten wird auf die untenstehende Abbildung verwiesen:

Abbildung 1 (erstes Bild)
Abbildung 1 (zweites Bild)

1.2. Messweise

Der untere Referenzpunkt für die Bestimmung der Fassadenhöhe ist das massgebende Terrain. Die Bemessung der Fassadenhöhe erfolgt bis zur Oberkante der Dachkonstruktion. Mit Dachkonstruktion ist aus bautechnischer Sicht das Traggerüst, also das Dachtragwerk gemeint. Der obere Referenzpunkt befindet sich somit beim höchsten Punkt der Tragkonstruktion ohne die allenfalls darauf aufgebrachte Dämmung und ohne die Dachhaut (IVHB-Erläuterungen, S. 10). Bei Flachdachbauten ist die Fassadenhöhe bis zur Oberkante der Brüstung zu messen. Als Brüstung zählen auch durchbrochene Abschlüsse wie bspw. Geländerkonstruktionen (AGVE 2014, S. 439 f.). Zur Messweise ist ebenfalls die obenstehende Abbildung 1 zu beachten.

Zur Berechnung der Fassadenhöhe liegt demnach der untere Referenzpunkt lotrecht unter dem oberen Referenzpunkt. Auch wenn eine Baute über eine oder mehrere zurückversetzte Fassaden verfügt, hat jede Fassade für sich die Fassadenhöhe einzuhalten. Dadurch werden überhöhte zurückversetzte Fassaden vermieden. Diesbezüglich ist Ziff. 5.2 IVHB, welche als unteren Referenzpunkt nur die Fassadenlinie bezeichnet, ungenau (Entscheid des Departements Bau, Verkehr und Umwelt vom 31. Januar 2020, EBVU 19.138, E. 4.2; m.w.H. Kommentar chkp. zu § 17 BauV).

Sollen die Untergeschosse nicht zu stark in Erscheinung treten, sind Einschränkungen von Abgrabungen im kantonalen Recht erforderlich (IVHB-Erläuterungen, S. 10). Das erlaubte Mass der Fassadenhöhe kann für traufseitige- und giebelseitige Fassaden sowie für berg- und talseitige Fassaden unterschiedlich festgelegt werden (Erläuterungen der einzelnen Definitionen des Anhangs IVHB, 2010, S. 10). Denkbar sind auch Regelungen, die bei Gebäuden am Hang die Erhöhung der talseitigen Fassadenhöhe um jenes Mass erlauben, um welches sie bergseitig reduziert wird (Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Juli 2022, WBE.2021.362, E. 2.3.1).

2. Nichtanrechnung an die Fassadenhöhe

2.1. Dachdurchbrüche (Abs. 1 lit. a und b)

Als Dachdurchbrüche gelten gemäss § 24 Abs. 2 BauV Dachaufbauten, die der Vergrösserung der Nutzfläche dienen, sowie Dacheinschnitte, Dachflächenfenster und spezielle Giebelkonstruktionen. Dachdurchbrüche sind nach § 24 Abs. 1bis BauV nur auf einem Geschoss zulässig und dürfen pro Gebäudeeinheit nicht breiter sein als zwei Drittel der Fassadenlänge (weitere Hinweise im Kommentar chkp. zu § 24 BauV).

Gemäss § 21a Abs. 1 lit. a BauV sind Dachdurchbrüche (namentlich Dachaufbauten) einerseits nicht an die Fassadenhöhe anzurechnen, wenn sie vom Dachrand oder von der Fassadenflucht um mindestens 50 cm zurückversetzt sind. Abbildung 2 zeigt eine fassadenbündige, durch ein Vordach von der Fassade optisch getrennte Dachaufbaute, welche nicht zur Fassadenhöhe zählt. Auf Abbildung 3 ist eine optisch wahrnehmbar zurückgesetzte Dachaufbaute zu sehen, die ebenfalls nicht zur Fassadenhöhe hinzugerechnet wird.

Abbildung 2 und Abbildung 3

Andererseits haben Dachdurchbrüche nach § 21a lit. b BauV keinen Einfluss auf die Berechnung der Fassadenhöhe, wenn der Durchbruch bei fassadenbündiger Anordnung nicht mehr als 1/3 der Fassa-denlänge beträgt. Die Regelung in § 21 a lit. a BauV ist somit nur von Bedeutung, wenn der Dach-durchbruch 1/3 der Fassadenlänge überschreitet. Abbildung 4 zeigt eine Dachaufbaute, welche nicht zur Fassadenhöhe zählt. In Abbildung 5 ist eine zur Fassadenhöhe zählende Dachaufbaute zu sehen.

Abbildung 4 und Abbildung 5

2.2. Attikageschoss (Abs. 1 lit. c)

Grundsätzlich gilt eine Begrenzung der Fassadenhöhe durch das kommunale Recht auch für Attikage-schosse, wenn keine Differenzierung zwischen Attikageschoss- und anderen Fassaden gemacht wird (Erl. zur BauV-Rev. 2021, S. 12). § 21a Abs. 1 lit. c BauV bestimmt als Ausnahme, dass Attikage-schossfassaden, die um das Mass ihrer Höhe zurückversetzt sind (d.h. in einem Winkel von weniger als 45°), ohne Einfluss auf die Berechnung der Fassadenhöhe sind. Links auf der Abbildung 6 ist eine rückversetzte Attikageschossfassade zu sehen, welche nicht zur Fassadenhöhe zählt, rechts eine solche, welche bei der Berechnung der Fassadenhöhe zu berücksichtigen ist.

Abbildung 6

Wie unter Ziff. 1.2. bereits erwähnt, zählt dieses Privileg für Brüstungen nicht. Die Frage, wie die Fas-sadenhöhe bei zurückversetzten Brüstungen oder anderen Fassadenteilen gemessen wird, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Gemäss den Erläuterungen zur Änderung der Bauverordnung vom 25. August 2021 muss die Fassadenhöhe an den zurückversetzten Stellen bei lotrechter Messung eingehalten sein (Erl. zur BauV-Rev. 2021, S. 12). In der Empfehlung der Abteilung Raumentwicklung des Departements Bau, Verkehr und Umwelt zur Integration der harmonisierten Baubegriffe und Messweisen in die Bau- und Nutzungsordnung (BNO) wird hingegen erwähnt, dass im Aargauischen Recht keine Festlegung enthalten ist, welche bestimmt, dass Brüstungen bei einer Zurückversetzung um ein festgelegtes Mass gegenüber der Fassadenflucht nicht an die Fassadenhöhe angerechnet werden. Eine solche Regelung würde Anreize für architektonisch unbefriedigende Lösungen schaffen (Empfehlung der ARE des BVU zur Integration der harmonisierten Baubegriffe und Messweisen in die BNO, S. 18). Die jüngste Rechtsprechung des Departments Bau, Verkehr und Umwelt, Rechtsabteilung, schliesst sich der ersteren Auffassung an. Es hält in seinem Entscheid vom 19. Dezember 2022 fest, dass sowohl die Fassaden- als auch die Gesamthöhe lotrecht am Ort des zurückversetzten Fassadenteils (Brüstung, Geländer) gemessen wird (Entscheid des Departements Bau, Verkehr und Umwelt / Rechtsabteilung vom 19. Dezember 2022, BVURA.22.140, Regeste).

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