Bau- und Immobilienrecht.

§ 24 BauV Dachgeschosse

§ 24 BauV Dachgeschosse (Ziff. 6.3 Anhänge IVHB)

1 Bei einem Dachgeschoss darf

a) die Kniestockhöhe (Mass b) nicht mehr als 1,20 m betragen,

b) die grosse Kniestockhöhe (Mass d) nicht mehr als 3,50 m betragen. Fehlt eine Begrenzung der Gesamthöhe, darf die Gesamthöhe eines asymmetrischen Dachs die Höhe eines angenommenen symmetrischen Dachs nicht überragen,

c) …

d) die Dachneigung nicht steiler sein als 45°.

1bis Dachdurchbrüche sind nur auf einem Geschoss zulässig und dürfen pro Gebäudeeinheit nicht breiter sein als zwei Drittel der Fassadenlänge. Ist das Gebäude geschützt oder liegt es in einer Zone mit erhöhten Anforderungen an das Orts- und Landschaftsbild, namentlich einer Dorf-, Altstadt-, Kern- oder Weilerzone, sind Dachdurchbrüche nur auf einem Drittel der Fassadenlänge erlaubt. Weitergehende Einschränkungen des kommunalen Rechts bleiben vorbehalten. 1)

1ter Auf weiteren Dachgeschossebenen sind vereinzelte Dachflächenfenster mit einer Einbaugrösse bis 0,75 m² zulässig.

2 Als Dachdurchbrüche gelten Dachaufbauten, die der Vergrösserung der Nutzfläche dienen, sowie Dacheinschnitte, Dachflächenfenster und spezielle Giebelkonstruktionen. Bei dreieckigen Dachaufbauten wird die Breite auf einem Drittel der Höhe gemessen.

3 Mansarden- und Tonnendächer dürfen nur erstellt werden, wenn die Gemeinden sie ausdrücklich zulassen.

1) Siehe dazu § 63 Abs. 3

1. Änderungen des bisherigen Rechts

Mit Beschluss des Regierungsrats vom 25. August 2021 wurde § 24 Abs. 1 BauV abgeändert. Bisher galten die in § 24 Abs. 1 BauV festgehaltenen Masse nur subsidiär, wenn die Gemeinde nichts anderes festlegte. Neu soll das Dachgeschoss im ganzen Kanton einheitlich gehandhabt werden (Erl. zur BauV-Rev. 2021, S. 13). Gemäss den Erläuterungen sollen "generell abweichende Regelungen im kommunalen Recht" nicht mehr zulässig sein (BVU, a.a.O.). Diese – unklare – Formulierung der Erläuterungen muss wohl dahingehend verstanden werden, dass abweichende Regelungen im kommunalen Recht nicht mehr zulässig sein sollen. Der aktuell geltende § 24 Abs. 1 BauV dürfte somit keine ab-weichenden Regeln der Gemeinden betreffend Dachgeschoss mehr zulassen (anders aber § 24 Abs. 1bis BauV). Bisher rechtskonforme kommunale Bestimmungen betreffend Dachgeschoss sind seit der Änderung der BauV vom 25. August 2021 als rechtswidrig einzustufen. Es ist allerdings fraglich, ob eine derart weitgehende Änderung des bisherigen Rechts vom Kanton tatsächlich beabsichtigt war.

2. Definition gemäss IVHB

Das Dachgeschoss wird in der IVHB definiert als Geschoss, dessen Kniestockhöhe das zulässige Mass nicht überschreitet (vgl. Ziff. 6.3 IVHB [Anhang 1]). Die für die Qualifikation als Dachgeschoss relevanten Parameter werden im Folgenden definiert.

3. Kniestockhöhe

Die Kniestockhöhe dient als Hilfsgrösse für die Definition, was als Dachgeschoss gilt und somit kein Vollgeschoss darstellt. Sie wird in der IVHB wie folgt definiert (Ziff. 5.3 IVHB [Anhang 1]): Die Knie-stockhöhe ist der Höhenunterschied zwischen der Oberkante des Dachgeschossbodens im Rohbau und der Schnittstelle der Fassadenflucht mit der Oberkante der Dachkonstruktion (vgl. nachfolgend Ziffer 7).

Die kleine Kniestockhöhe (Mass b) darf maximal 1,20 m und die grosse Kniestockhöhe (Mass d) maximal 3,50 m betragen. Die Gemeinden haben neu keine Kompetenz mehr, die Kniestockhöhe abweichend von § 24 BauV zu regeln.

4. Messweise der Kniestockhöhe

 Abbildung 1

5. "Oberkante Dachgeschossboden im Rohbau"

Die "Oberkante Dachgeschossboden im Rohbau" stellt den unteren Referenzpunkt zur Bestimmung der Kniestockhöhe dar. Der Dachgeschossboden im Rohbau wird in den IVHB-Erläuterungen konkretisiert: Als Oberkante Dachgeschossboden im Rohbau gilt die rohe Tragkonstruktion (z.B. eine Balken- oder Betondecke) ohne allfällige Isolationen und Unterlagsböden mit Leitungen wie beispielsweise für Bodenheizungen. Der untere Referenzpunkt zur Bestimmung der Kniestockhöhe liegt somit tiefer als noch in § 16 Abs. 3 ABauV, wonach die Oberkante des fertigen Dachgeschossbodens massgebend war.

6. Fassadenflucht

Die Fassadenflucht ist die Mantelfläche, gebildet aus den lotrechten Geraden durch die äussersten Punkte des Baukörpers über dem massgebenden Terrain. Vorspringende und unbedeutend rückspringende Gebäudeteile werden nicht berücksichtigt (Ziff. 3.1 IVHB [Anhang 1]).

7. "Oberkante der Dachkonstruktion"

Der obere Referenzpunkt zur Bestimmung der Kniestockhöhe bezieht sich auf die Schnittlinie zwischen der Fassadenflucht und der "Oberkante der Dachkonstruktion". Der obere Referenzpunkt zur Bestimmung der Kniestockhöhe liegt somit beim höchsten Punkt der Tragkonstruktion, wobei aber die allenfalls darauf aufgebrachte Isolation und die Dachhaut nicht berücksichtigt werden. Der obere Messpunkt liegt damit tiefer als noch in § 16 Abs. 3 ABauV, wonach die Dachoberfläche massgebend war.

8. Dachneigung

Als zulässige Schrägdächer gelten Dächer mit einer Dachneigung bis 45°.

Abbildung 2

Seit der Änderung der BauV vom 21. August 2021 (siehe oben Ziffer 1) dürfen die Gemeinden neu keine Dächer mit einer Dachneigung über 45° vorsehen. Fraglich dürfte die Anwendung der neuen Regeln in Altstädten sein, wo Dächer teilweise steiler sein können als 45°. So weist beispielsweise die Altstadt von Aarau diverse Gebäude mit Schrägdächern auf, deren Dachneigung 45° übersteigen. Die BNO von Aarau regelt in Bezug auf die Altstadt allerdings, dass die vorherrschenden Dachneigungen beizubehalten oder wiederherzustellen sind (§ 10 Abs. 6 BNO). Schrägdächer mit einer Dachneigung über 45° gelten nach neuer BauV jedoch als Vollgeschosse und nicht mehr als Dachgeschosse.

9. Symmetrische Dächer

Bei symmetrischen Dächern ist nur das Mass b (Kniestockhöhe bis 1,20 m) zu beachten. Die Knie-stockhöhe von symmetrischen Dächern wird in der IVHB wie folgt skizziert (Figur 6.3 IVHB [Anhang 2]):

Abbildung 3

10. Asymmetrische Dächer

Bei asymmetrischen Giebeldächern und Pultdächern sind die kleine Kniestockhöhe (Mass b: max. 1,20 m) und die grosse Kniestockhöhe (Mass d: max. 3,50 m) einzuhalten. Legt die Gemeinde kein Mass für die Gesamthöhe fest, darf die Gesamthöhe eines asymmetrischen Dachs die Gesamthöhe eines angenommenen symmetrischen Dachs nicht überragen.

Die Kniestockhöhen von asymmetrischen Dächern werden in der IVHB wie folgt skizziert (Figur 6.3 IVHB [Anhang 2]):

Abbildung 4

11. Dachdurchbrüche und Dachflächenfenster

Die Regelung von § 24 Abs. 1bis BauV betreffend die Dachdurchbrüche ist derzeit nur dann anwendbar, wenn die Gemeinde nach Inkrafttreten dieser Bestimmung, somit nach 1. Januar 2015, eine Revision des Allgemeinen Nutzungsplans zur Vorprüfung eingereicht hat, diese rechtsgültig geworden ist und die Gemeinde die Baubegriffe der IVHB übernommen hat. Bis dies erfolgt ist, gilt § 16 Abs. 1 ABauV (§ 63 Abs. 3 BauV).

Die Regelung der BauV bezweckt, dass die Kniestockhöhe nicht durch gross dimensionierte Dachaufbauten umgangen werden kann. Unter den Begriff der Dachdurchbrüche werden in § 24 Abs. 2 BauV Dachaufbauten, die der Vergrösserung der Nutzfläche dienen, sowie Dacheinschnitte, Dachflächenfenster und spezielle Giebelkonstruktionen subsumiert.

Unter Dachaufbauten werden allgemein Bauteile verstanden, die zu einer optischen Aufblähung des Gebäudekörpers führen, wie Traufen, Schleppgauben, Vordächer oder Brüstungen (FRITZ-SCHE/BÖSCH/WIPF, Zürcher Planungs- und Baurecht, Band 2, 6. Aufl. 2019, S. 1204 ff.).

Als Dacheinschnitte werden bauliche Massnahmen verstanden, die zu einem "Loch" in der Dachfläche führen. Wird aber der Dacheinschnitt mit einer festen Überdachung vorgesehen, liegt wiederum eine Dachaufbaute vor (FRITZSCHE/BÖSCH/WIPF, a.a.O., S. 1217).

Bisher nicht geklärt ist die Frage, was unter die speziellen Giebelkonstruktionen zu subsumieren ist. Zu befürworten ist das Zürcher Modell, wonach Kreuzfirste und Quergiebel nicht als Dachaufbauten zu qualifizieren sind und die Vorschriften betreffend Anteil an der Fassadenlänge nicht einzuhalten sind (FRITZSCHE/BÖSCH/WIPF, a.a.O., S. 1211 f.).

Die Dimensionen von Dachdurchbrüchen werden in § 24 Abs. 1bis BauV begrenzt. Sie sind nur auf einem Geschoss zulässig und dürfen pro Gebäudeeinheit nicht breiter sein als zwei Drittel der Fassadenlänge. Ist das Gebäude geschützt oder liegt es in einer Zone mit erhöhten Anforderungen an das Orts- und Landschaftsbild, namentlich einer Dorf-, Altstadt-, Kern- oder Weilerzone, sind Dachdurchbrüche nur auf einem Drittel der Fassadenlänge erlaubt. Die Gemeinden dürfen diesbezüglich weitergehende Einschränkungen vorsehen. Bei dreieckigen Dachaufbauten wird die Breite auf einem Drittel der Höhe und nicht etwa bei der grössten Ausdehnung gemessen. Bestehen pro Gebäudeeinheit mehrere Durchbrüche, werden sie bei der Bemessung der zulässigen Breite zusammengezählt.

Technisch bedingte Aufbauten wie Kamine und Anlagen zur Nutzung von Sonnenenergie, zum Beispiel Photovoltaik- und Solaranlagen, verfolgen einen anderen Zweck als die Vergrösserung der Nutzfläche und fallen somit nicht unter die Beschränkung.

Die zulässige Maximalgrösse vereinzelter Dachflächenfenster auf weiteren Dachgeschossebenen wurde neu auf 0,75 m2 festgesetzt (§ 24 Abs. 1ter BauV).

Hinweis: Über die Trauflinie ragende Dachaufbauten führen gemäss Auffassung des Departements BVU dazu, dass das Dachgeschoss als Vollgeschoss gilt (Entscheid des Departements BVU BVU-RA.17.386 vom 8. Dezember 2017).

Abbildung 5

12. Mansarden- und Tonnendächer

Mansardendächer sind dadurch gekennzeichnet, dass die Dachfläche einen Dachknick aufweist und deren unterer Teil steiler als der obere verläuft, mit einer Dachneigung von regelmässig erheblich mehr als 45° (AGVE 2006 S. 489 mit Hinweis auf Entscheid des Verwaltungsgerichts III/109 vom 17. Dezember 2004 in Sachen C.-W., S. 9). Tonnendächer weisen eine Dachform auf, deren Querschnitt ein Kreissegment darstellt. Um zu verhindern, dass allzu wuchtige Mansarden- und Tonnendächer erstellt werden, lässt das kantonale Recht solche Dachformen nur zu, wenn die Gemeinde sie in ihrer BNO ausdrücklich vorsieht.

Gemäss Rechtsprechung zur ABauV zählten Flächen unter Mansardendächern, deren unterer Dachteil eine Neigung von mehr als 45° aufweist, in jedem Fall als Vollgeschoss (AGVE 2006 S. 489). Unklar ist, ob diese Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten der neuen BauV fortgeführt wird, zumal es den Gemeinden freisteht, diese Dachformen zuzulassen, die BauV gleichzeitig aber festhält, dass als Dachgeschoss nur gilt, wenn die Dachneigung nicht steiler ist als 45°.

Abbildung 6

13. Flachdach

Der Begriff des Dachgeschosses ist auf Schrägdächer zugeschnitten, denn diese benötigen einen Kniestock, um sie nach den Regeln der Baukunde erstellen zu können. Bei Flachdächern ist demgegenüber kein Kniestock vorhanden. In der SIA-Norm 271 werden Flachdächer als Oberbegriff für Dächer mit geringer oder fehlender Neigung und fugenloser Abdichtung definiert. Um den Wasserabfluss zu gewährleisten, weisen Flachdächer eine minimale Neigung auf. Im Allgemeinen werden Dächer mit einer Neigung bis 10° noch als Flachdächer bezeichnet (FRITZSCHE/BÖSCH/WIPF, a.a.O., S. 929).

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