Bau- und Immobilienrecht.

§ 31 BauV Baumassenziffer (Ziff. 8.3 Anhänge IVHB)

1 Bei der Berechnung der Baumassenziffer werden die Volumen offener Gebäudeteile, die weniger als zur Hälfte durch Abschlüsse umgrenzt sind, nicht angerechnet.

1. IVHB

Bei der Baumassenziffer (nachfolgend BMZ) handelt es sich um eine der fünf Nutzungsziffern, die in der IVHB erwähnt werden. Nicht zu diesen fünf Nutzungsziffern gehört übrigens die Ausnützungsziffer, die nicht Gegenstand der IVHB ist, weshalb die doch noch häufig anzutreffende Ausnützungsziffer nach wie vor nicht harmonisiert ist (IVHB-Erläuterungen, S. 17). Soweit ersichtlich kommt die BMZ im Kanton Aargau selten zur Anwendung, ist aber in Industrie- und Arbeitszonen hin und wieder anzutreffen (CHRISTIAN HÄUPTLI, in: Baumann / van den Bergh / Gossweiler / Häuptli / Häuptli-Schwaller / Sommerhalder Forestier, Baurechtskommentar, N 47 zu § 50 BauG).

Die BMZ ist das Verhältnis zwischen den Bauvolumen über dem massgebenden Terrain zur anrechenbaren Grundstücksfläche.

2. Anrechenbare Grundstücksfläche

2.1 Definition

Gemäss Ziff. 8.1 Anhang 1 gehören die in der entsprechenden Bauzone liegenden Grundstücksflächen bzw. Grundstücksteile zur anrechenbaren Grundstücksfläche. Liegt somit das Grundstück vollständig in der Bauzone, ist die Fläche gemäss Grundbuchauszug die Ausgangsgrösse für die Ermittlung der anrechenbaren Grundstücksfläche. Von dieser Ausgangsgrösse sind die Flächen der Grund-, Grob- und Feinerschliessung abzuziehen, nicht jedoch die blossen Hauszufahrten.

Im Kanton Aargau ist die anrechenbare Grundstücksfläche in § 32 Abs. 4 BauV ebenfalls geregelt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass § 32 BauV die von der IVHB nicht erfasste Ausnützungsziffer regelt, weshalb der kantonale Gesetzgeber für diese Ausnützungsziffer die anrechenbare Grundstücksfläche selber definieren musste. Bei dieser Definition hätte er von Ziff. 8.1 IVHB abweichen können (was in den IVHB-Erläuterungen, S. 18, ausdrücklich erwähnt wird). Der Kanton Aargau hat aber die anrechenbare Grundstücksfläche bei der Ausnützungsziffer inhaltlich gleich definiert wie Anhang 1, weshalb es im Kanton Aargau nicht zwei Definitionen für diesen Begriff gibt (ebenso CHRISTI-AN HÄUPTLI, in: Baumann / van den Bergh / Gossweiler / Häuptli / Häuptli-Schwaller / Sommerhalder Forestier, Baurechtskommentar, N 20 – 23 zu § 50 BauG). Zu erwähnen bleibt, dass sich die IVHB in Bezug auf die anrechenbare Grundstücksfläche auf die SIA-Norm 421 (2006) gestützt hat (IVHB-Erläuterungen, S. 18).

2.2 Definition der Erschliessung

Die IVHB definiert die von ihr verwendeten Begriffe "Grund-, Grob- und Feinerschliessung" und "Haus-zufahrt" nicht, weshalb sie denn auch nicht harmonisiert sind. Insbesondere kann es kantonale Unter-schiede in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Hauszufahrt einerseits und der Grund-, Grob- und Fei-nerschliessung andererseits geben (IVHB-Erläuterungen, S. 18).

Mit der Erschliessung ist jedoch bloss die strassenmässige Erschliessung gemeint, nicht auch diejenige für Frischwasser etc. Im Anhang 1 zur BauV wird dies zwar nicht ausdrücklich festgeschrieben, ergibt sich aber sinngemäss aus dem Umstand, dass die Grund-, Grob- und Feinerschliessung bloss der Hauszufahrt (ebenfalls eine strassenmässige Erschliessung) gegenübergestellt wird. Der Kanton Aargau hat deshalb in § 32 Abs. 4 BauV präzisiert, dass bloss die strassenmässige Erschliessung gemeint sein kann.

Die Strassen der Grund-, Grob- und Feinerschliessung müssen schon bestehen oder zumindest projektiert sein, damit die entsprechende Fläche nicht zur anrechenbaren Grundstücksfläche gehört.

2.3 Die entsprechende Bauzone

Damit die ganze Fläche eines Grundstücks anrechenbar ist, muss es vollständig in der Bauzone liegen und mit einer Nutzungsziffer versehen sein. Damit sind Grundstücke und Grundstücksteile, auf welchen keine bauliche Nutzung zugelassen ist (z. B. Waldflächen, Gewässerflächen, Grünzonen und Freihalteflächen), nicht anrechenbar. In Bezug auf die ebenfalls freizuhaltenden Gewässerräume stellt sich die bislang noch nicht entschiedene Frage, ob die (noch) in der kommunalen Bauzone liegende und freizuhaltende Gewässerraumfläche zur anrechenbaren Grundstücksfläche gehört oder nicht. Das AWEL des Kantons Zürich stellt sich auf den Standpunkt, wenn eine Parzelle teilweise im Gewässerraum liege, so verringere dies die zulässige bauliche Ausnützung der gesamten Parzelle nicht (vgl. AWEL ZH, Gewässerraum [abgerufen am 16. März 2023]). Der Kanton Luzern sieht in seiner Musterbauordnung für die Gemeinden vor, dass die "Grünzone Gewässerraum" anderen Zonen überlagert sei. Die überlagerte Fläche zähle zu der anrechenbaren Grundstücksfläche (zitiert in ERIK LUSTENBERGER, Umweltrecht in der Praxis, 2018, S. 479). Nach unserer Auffassung spricht nichts dagegen, dies auch im Kanton Aargau so zu beurteilen, denn auch Abstandsflächen zählen zur anrechenbaren Grundstücksfläche (CHRISTIAN HÄUPTLI, in: Baumann / van den Bergh / Gossweiler / Häuptli / Häuptli-Schwaller / Sommerhalder Forestier, Baurechtskommentar, N 25 zu § 50 BauG).

Befindet sich ein Grundstück in zwei verschiedenen Bauzonen mit unterschiedlichen Nutzungsziffern, so ist gemäss den IVHB-Erläuterungen (S. 18) die zulässige Nutzung (hier das zulässige Bauvolumen) für jede Zone gesondert zu berechnen. Demgegenüber bestimmt das kantonale Recht, ob die zulässigen Nutzungen auch in der jeweiligen Zone oder aber auch auf den anderen Grundstücksteil übertragen werden dürfen. Nach unserer Auffassung ist zunächst das zulässige Gesamtbauvolumen zu berechnen. Beispiel: (300 m2 x 1.5 m3/m2) + (400 m2 x 2 m3/m2) = 1250 m3. Dieses zulässige Gesamtbauvolumen muss dann allerdings nicht zonenscharf verteilt werden, sondern bloss in seiner Gesamtheit eingehalten werden. Dies folgt sinngemäss aus § 32 Abs. 5 BauV, wonach diese Regel sogar bei einer parzellenübergreifenden Überbauung gilt, weshalb sie erst recht für eine Überbauung auf einer einzigen Parzelle gelten muss. Vorbehalten bleibt selbstverständlich die Wahrung des Orts-, Quartier- und Landschaftsbilds (CHRISTIAN HÄUPTLI, in: Baumann / van den Bergh / Gossweiler / Häuptli / Häuptli-Schwaller / Sommerhalder Forestier, Baurechtskommentar, N 25 zu § 50 BauG).

3. Das Bauvolumen

Ausgangsgrösse ist das Volumen des Baukörpers, soweit es aus dem massgebenden Terrain (vgl. dazu Ziff. 1.1 Anhang 1 und Kommentierung zu § 20 BauV) herausragt. Anrechenbar können somit auch Teile von Untergeschossen und Unterniveaubauten sein.

Für das Volumen dieses Baukörpers sind dessen Aussenmasse relevant. Dazu gehören alle geschlossenen Gebäudeteile, somit auch vorspringende Gebäudeteile im Sinne von Ziff. 3.4 Anhang 1 und Dachaufbauten. Gemäss den IVHB-Erläuterungen (S. 19) sollen jedoch kleine, zur üblichen Gebäudegestaltung gehörende Vor- und Rücksprünge wie beispielsweise normale Vordächer, Kamine, Brüstungen usw. vernachlässigt werden, da sie nicht volumenbildend seien. Dies lasse sich den IVHB zwar nicht entnehmen, entspreche jedoch dem Sinn und Zweck der Baumassenziffer. Dem ist beizupflichten. Der Umstand, dass die IVHB dies nicht erwähnt, dürfte zur Folge haben, dass den Kantonen ein Spielraum für eine eigene Praxis bleibt.

Gemäss Abs. 3 von Ziff. 8.3 Anhang 1 soll das Volumen offener Gebäudeteile bloss zu einem festgelegten Anteil zum Bauvolumen zählen. Dieser Anteil kann von den Kantonen auch auf Null gesetzt werden, was im Kanton Aargau so geschehen ist. Somit bleibt bloss noch zu klären, was als offener Gebäudeteil gilt. Es handelt sich dabei um die Gebäudeteile, die weniger als zur Hälfte durch Abschlüsse umgrenzt sind. In einer Klammerbemerkung werden als Beispiele für Abschlüsse Wände, somit vertikale Abschlüsse, genannt. Dazu gehören sicherlich auch die Bestandteile der Wände wie Fenster. Weniger klar sind die horizontalen Abschlüsse. Nach unserer Auffassung gehört die Fläche der Unterseite des Balkons oder der Auskragung zu den Abschlüssen in diesem Sinn, da es sich um einen Gebäudeteil handelt. Die Bodenfläche auf dem massgebenden oder veränderten Terrain, die sich unterhalb Balkon oder Auskragung befindet, gehört aber selbst dann nicht zu den Abschlüssen, wenn sie unterkellert, aufgeschüttet und mit Gartenplatten versehen ist und deshalb durchaus baulicher Natur ist und als Gebäudeteil betrachtet werden könnte. Massgeblich ist somit, ob der Boden unter dem Balkon oder der Auskragung bereits zur Umgebung gehört oder nicht. Zur Begründung für diese Auffassung sei zunächst darauf verwiesen, dass bei der BMZ bloss oberirdische Bauteile mitzählen. Ob der Garten ganz oder teilweise unterkellert ist, kann deshalb keine Rolle spielen. Auch die Frage, ob das Terrain noch dem massgeblichen entspricht oder abgetragen resp. aufgeschüttet wurde, spielt grundsätzlich keine Rolle, da dies eine Frage der Umgebungsgestaltung ist (anders kann es sich dann verhalten, wenn die Kellerdecke zwar mit Humus überdeckt ist, jedoch über dem massgeblichen Terrain liegt, weshalb dann der "Keller" teilweise mitzurechnen ist). Mitzurechnen sind somit bloss die Abschlüsse baulicher Art, die Bestandteile des Gebäudes sind, nicht aber die (natürlichen oder veränderten) Abschlüsse, die bereits zur Umgebung des Gebäudes zählen. Dies hat zur Konsequenz, dass die Volumina unterhalb des Balkons resp. der Auskragung in der Skizze der IVHB im Kanton Aargau nicht zum massgeblichen Gebäudevolumen zählen, wenn sich Balkon oder Auskragung über dem Umgebungsterrain befinden. In anderen Kantonen zählt demgegenüber ein von den Kantonen festzulegender Anteil dieser Volumina zum massgeblichen Gebäudevolumen. Folglich sind gemäss IVHB bloss solche Balkone und Auskragungen, die sich über dem Umgebungsterrain befinden, privilegiert, nicht aber eingezogene oder überdeckte Balkone, die praktisch immer zum Gebäudevolumen zählen dürften (so IVHB-Erläuterungen, S. 19; teilweise anders jedoch CHRISTIAN HÄUPTLI, in: Baumann / van den Bergh / Gossweiler / Häuptli / Häuptli-Schwaller / Sommerhalder Forestier, Baurechtskom-mentar, N 49 zu § 50 BauG, der meint, dass überdeckte Balkone bisweilen nicht angerechnet werden müssten). Der nachfolgenden Skizze der IVHB (Figur 8.3) ist ferner vorauszuschicken, dass – für den Kanton Aargau – die beiden rötlich eingezeichneten Volumina oder Quader wegzudenken sind, da hier der anrechenbare Anteil auf Null gesetzt wurde.

Abbildung: Figur 8.3

4. Baumassenziffer gemäss ABauV

Wie in der Einleitung (vor § 16 BauV) erwähnt, sind in einigen Gemeinden noch Teile der ABauV an-wendbar. Auch diese sah eine BMZ vor, nämlich in § 10 Abs. 1. Diese unterscheidet sich in zweifacher Hinsicht von der vorstehend behandelten BMZ gemäss BauV und Anhang 1:

Zunächst kommt es selbstverständlich nicht auf das massgebende Terrain gemäss Ziff. 1.1 Anhang 1, sondern noch auf das gewachsene Terrain gemäss § 13 ABauV an.

Zudem gehören zum oberirdischen Bauvolumen (= Volumen der Bauteile, die das gewachsene Terrain übersteigen) nur die Gebäudeteile, die von der Gebäudehülle vollständig umschlossen sind. Eine spezielle Regelung für offene Gebäudeteile (wie sie sich im Anhang 1 findet), war deshalb unter der Geltung der ABauV entbehrlich (ebenso: CHRISTIAN HÄUPTLI, in: Baumann / van den Bergh / Gossweiler / Häuptli / Häuptli-Schwaller / Sommerhalder Forestier, Baurechtskommentar, N 52 zu § 50 BauG).

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