Bau- und Immobilienrecht.

Optimierung der baulichen Ausnützung von Liegenschaften

Das Bevölkerungswachstum und die damit verbundene steigende Nachfrage nach Wohnraum sowie die Verschärfung der Vorschriften des Raumplanungsrechts haben zu einer spürbaren Verknappung von Bauland und zu steigenden Land- und Immobilienpreisen geführt. Im Interesse der Liegenschaftseigentümer und der Öffentlichkeit wird es damit immer wichtiger, Grundstücke und Liegenschaften baulich optimal nutzen zu können. Nachfolgend werden einige Möglichkeiten zur Optimierung der baulichen Ausnützung von Liegenschaften dargestellt.

1. Baurechtliche Erleichterungen

1.1 Energietechnische Erleichterungen

Für Gebäude, die einen besseren Energiestandard erreichen als gesetzlich verlangt, sieht der Gesetzgeber einen Nutzungsbonus vor. So dürfen Gebäude, die vor 1990 bewilligt wurden und durch die Modernisierung den MINERGIE®-Standard erreichen, eine um 10 % erhöhte Ausnützungsziffer beanspruchen. Gebäude, die 1990 oder später bewilligt wurden, erhalten denselben Nutzungsbonus, wenn sie den MINERGIE-P®-Standard erreichen (§ 35 Abs. 1 BauV AG).

Werden durch den Einbau von grösseren Wärmedämmschichten Vorschriften betreffend Nutzungsziffern tangiert, so sind diesbezügliche Abweichungen zulässig (§ 36 BauV AG). Eine Bewilligung kann damit auch dann erteilt werden, wenn durch die Wärmedämmung die zulässige Ausnützung überschritten wird. Dies hat faktisch eine Erhöhung der Ausnützungsziffer zur Folge.

1.2 Spezielle Bauweisen

Verschiedentlich werden in kommunalen Bauordnungen höhere Ausnützungsziffern bei speziellen Bauweisen vorgesehen. So wird z.B. ein Zuschlag zur zonenkonformen Ausnützung gewährt, wenn ein zusätzlicher Einbau einer Kleinwohnung mit separatem Zugang (Einliegerwohnung) erfolgt, oder es wird beispielsweise ein genereller Ausnützungszuschlag für terrassierte Flachdachbauten in Hanglage vorgesehen. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, bei der Projektierung die jeweiligen kommunalen Bauordnungen in Bezug auf mögliche Ausnützungszuschläge genau zu prüfen.

1.3 Arealüberbauungen

Bei grösseren zusammenhängenden Grundstücksflächen steht meist die Möglichkeit von Arealüberbauungen offen, welche in der Regel in sämtlichen Bauzonen zulässig sind. Es steht den Gemeinden frei, Minimalwerte für die dafür benötigten Landflächen festzulegen (z.B. ab 3'000 m2). Sind die Voraussetzungen für eine Arealüberbauung erfüllt (z.B. haushälterische Nutzung des Bodens, gute architektonische Gestaltung, gute Einordnung, energieeffiziente Gebäude, rationelle Erschliessungsanlagen, gemeinsame Entsorgungseinrichtungen etc.), kann von der Regelbauweise abgewichen und ein zusätzliches Geschoss bewilligt werden. Neben der Anpassung der Grenz- und Gebäudeabstände kann auch eine Erhöhung der Ausnützungsziffer um bis zu 15 % erfolgen. Zusätzlich zum Nutzungsbonus für Arealüberbauungen kann ein weiterer Nutzungsbonus von 5 % gewährt werden, wenn die Gebäude den MINERGIE-P®-Standard erreichen (§ 35 Abs. 2 BauV AG).

2. Planerische Massnahmen

Neben den in der kantonalen Bauverordnung und in den kommunalen Bau- und Nutzungsordnungen vorgesehenen Optionen kann z.B. auch die Möglichkeit einer Erhöhung der Ausnützung von Liegenschaften im Zuge eines Planungsverfahrens in Betracht gezogen werden. Eine Anpassung der Vorschriften kann dabei über die allgemeine Nutzungsplanung (Total- oder Teilrevision) oder über Gestaltungsplanungen erfolgen.

2.1 Total-/Teilrevision Nutzungsplanung

Im Zuge einer Total- oder Teilrevision können bestehende allgemeine Nutzungspläne grundsätzlich überprüft und angepasst werden. Die Nutzungen können dabei z.B. erhöht werden, indem ein Gebiet unter entsprechender Anpassung der Ausnützungsziffer von der Zone W2 mit zwei Vollgeschossen in die Zone W3 mit drei Vollgeschossen umgezont wird.

Die Gemeinden haben ihre Nutzungspläne periodisch zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen (Art. 21 Abs. 2 RPG). Der Anstoss zu einer Total- oder Teilrevision der Nutzungsplanung kann auch von einem einzelnen Grundeigentümer ausgehen, indem ein entsprechender Antrag eingereicht wird. Ein Rechtsanspruch des Einzelnen auf Durchführung eines Verfahrens besteht indes nicht. Wird eine Gemeinde von sich aus aktiv, so besteht die Möglichkeit, im Rahmen des Verfahrens der Nutzungsplanrevision (z.B. im Mitwirkungsverfahren) eigene Anträge zu stellen (z.B. Ein- oder Aufzonung).

2.2 Gestaltungspläne

Ferner kann mittels Erlass eines Gestaltungsplans von den allgemeinen Nutzungsplänen abgewichen werden, wenn ein wesentliches öffentliches Interesse an der Gestaltung der Überbauung besteht und dadurch bessere Ergebnisse (z.B. gute architektonische Gestaltung und Abstimmung, haushälterische Nutzung des Bodens, gute Erschliessungs- und Erholungsanlagen etc.) erzielt werden können (§ 21 Abs. 1 und 2 BauG AG).

Gestaltungsplanentwürfe können von den Gemeinden oder von Privaten erstellt werden (§ 21 Abs. 3 BauG AG). Es steht den Grundeigentümern damit grundsätzlich frei, selber entsprechende Entwürfe für Gestaltungspläne zu erstellen. Da die Verfahrensleitung aber der Gemeinde obliegt, empfiehlt es sich, frühzeitig mit den zuständigen Stellen Kontakt aufzunehmen und den Erlass eines Gestaltungsplans vorgängig abzusprechen.

3. Empfehlungen

Sowohl bei einer Neuüberbauung von Grundstücken als auch bei einer Neugestaltung von bestehenden Liegenschaften ist dringend zu empfehlen, die anwendbaren Vorschriften in kantonalen und kommunalen Erlassen in Bezug auf bestehende baurechtliche Nutzungserleichterungen (vgl. Ziff. 1) genauestens zu prüfen, um ein allfälliges Optimierungspotential bezüglich der Ausnützung voll ausschöpfen zu können. Darüber hinaus bleibt in jedem Fall zu prüfen, ob in der betreffenden Lagegemeinde eine Optimierung der Ausnützung im Zuge einer Planungsmassnahme (durch eine anzuregende Gestaltungsplanung oder eine beabsichtigte oder laufende Teil-/Totalrevision der allgemeinen Nutzungsplanung) realisiert werden kann.

Philipp Laube
Dr. iur HSG
Rechtsanwalt und dipl. Architekt HTL
chkp. Rechtsanwälte Notariat
Baden