Rechtsstillstand im Betreibungsverfahren wegen des Coronavirus

 

Der Bundesrat hat für das gesamte Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft Rechtsstillstand gemäss Art. 62 SchKG verordnet. Dieser Rechtsstillstand gilt bis am 4. April 2020, 24:00 Uhr. Danach gelten die üblichen Betreibungsferien bis am 19. April 2020. In der Praxis stellen sich hierzu verschiedene Fragen:

Was umfasst dieser Rechtsstillstand im Betreibungswesen?

Sämtliche Betreibungshandlungen in der Schweiz sind grundsätzlich vom Rechtsstillstand erfasst. Zu den Betreibungshandlungen gehören sämtliche Handlungen der Vollstreckungsbehörden (Betreibungs- und Konkursbeamte sowie Rechtsöffnungs- und Konkursrichter) und Aufsichtsbehörden, die auf die Einleitung oder Fortsetzung eines Verfahrens gerichtet sind, das darauf abzielt, den Gläubiger auf dem Weg der Zwangsvollstreckung aus dem Vermögen des Schuldners zu befriedigen und die in die Rechtsstellung des Schuldners eingreifen (BGE 115 lll 6, E. 5).

Das bedeutet, dass es während des Rechtsstillstandes weder möglich ist, Zahlungsbefehle den Schuldnern zuzustellen, noch Rechtsöffnungsverfahren durchzuführen oder den Konkurs zu eröffnen. Hingegen ist es weiterhin möglich, dass die Betreibungsbeamten die Betreibungs- und Fortsetzungsbegehren entgegennehmen. Auch können sie den Zahlungsbefehl ausstellen, solange sie diesen dem Schuldner noch nicht zustellen. Denn das Ausstellen des Zahlungsbefehls alleine bringt den Betreibenden seinem Ziel noch nicht näher. Ferner ist es weiterhin möglich, einen Arrest zu legen oder andere unaufschiebbare Massnahmen zur Erhaltung von Vermögensgegenständen vorzunehmen.

Wie werden Fristen, welche in die Zeit der Betreibungsferien oder den Rechtsstillstand fallen, berechnet?

Wichtig: Materiellrechtliche Fristen (z.B. Verjährungsfristen und Verwirkungsfristen, wie zum Beispiel Rügefristen bei Mängeln oder den Weiterzug eines Urteils etc.) fallen nicht unter den Rechtsstillstand des Betreibungswesens.

Betreibungsferien und Rechtsstillstand hemmen den Fristenlauf gemäss Art. 63 SchKG nicht. Fällt jedoch eine Frist in die Zeit der Betreibungsferien oder des Rechtsstillstandes, so wird die Frist bis zum dritten Tag nach deren Ende verlängert. Bei der Berechnung der Frist von drei Tagen werden Samstag und Sonntag sowie die staatlich anerkannten Feiertage nicht mitgezählt.

In der vorliegenden Situation beginnen direkt nach dem Rechtsstillstand die Betreibungsferien. Folglich ist davon auszugehen, dass sämtliche Fristen, welche in den Rechtsstillstand fallen, in den Betreibungsferien enden würden und wieder verlängert werden bis zum dritten Tag nach den Betreibungsferien. Spätestens am 22. April 2020 laufen die vom Betreibungsamt gesetzten, in die Betreibungsferien fallenden Fristen in jedem Fall ab.

Was ist der Unterschied zwischen Rechtsstillstand und Betreibungsferien?

Rechtsstillstand in Betreibungsangelegenheiten bedeutet, dass Betreibungshandlungen verboten sind. Im Gesetz sind die Folgen der Nichtbeachtung nicht geregelt. Die Literatur geht überwiegend davon aus, dass eine Nichtbeachtung des Rechtsstillstandes die Nichtigkeit der Rechtshandlung zur Folge hat.

Die Betreibungsferien sind in Art. 56 SchKG geregelt und dauern sieben Tage vor und nach Ostern. Das Gesetz regelt die Folgen von Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot ebenfalls nicht. In der Praxis werden z.B. Betreibungs- und Fortsetzungsbegehren auch während den Betreibungsferien eingereicht und vom Betreibungsamt bearbeitet. Sogar Zustellungen von Zahlungsbefehlen werden in diesen Zeiten teilweise vorgenommen. Jedoch entfalten sie ihre rechtliche Wirkung erst nach den Betreibungsferien (BGE 121 lll 284 ff.). Diese Zustellungspraxis sollte meines Erachtens während des Rechtsstillstandes nicht möglich sein.

Für die Gültigkeit der betreibungsrechtlichen Verfügungen kommt es folglich darauf an, wann eine Betreibungsbehörde in den nächsten Wochen eine Verfügung erlässt und Ihnen zustellt. Wenn die Verfügung während dem Rechtsstillstand erlassen wurde, ist diese allenfalls nichtig, andernfalls behält sie ihre Gültigkeit.

Fazit

Verlangen Sie Vorauskasse. Dadurch können Sie Ihre Liquidität sicherstellen und sind in dieser Zeit nicht auf das Betreibungsamt angewiesen.

In dringenden Fällen ist die Arrestlegung nach wie vor möglich, sofern die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Gerne beraten wir Sie in Bezug auf den Fristenlauf, materiellrechtliche Fragen, Arrestlegung sowie allfälligen Massnahmen zur Sicherstellung Ihrer Liquidität.